Mercedes Lauenstein - nachts

 

Verlag: Aufbau-Verlag

Einbandgestaltung: ZERO Werbeagentur, München

ISBN-13: 978-3-351-03614-0

Seiten: 190 Seiten

Erschienen: 21. August 2015

 

Buchrückentext

„Nacht für Nacht streift eine junge Frau durch die Stadt. Sie sucht nach etwas, doch sie weiß nicht, wonach. Vielleicht, denkt sie, kann sie es hinter den letzten erleuchteten Fenstern finden. Sie klingelt an den Türen. Und begegnet Menschen im Moment ihrer höchsten Einsamkeit - Menschen, die nachts erst richtig zu leben beginnen, wenn draußen alles still und dunkel ist.“ 

 

Meine Meinung

Mich hat vor allem das Cover angesprochen – schlicht und einfach ist es, in einem kühlen Nachtblau gehalten und einer Struktur, die mich an eine Jalousie denken lässt, darin dann der Titel des Buches „nachts“. Der Klappentext hat mich zudem neugierig auf den Inhalt gemacht – denn es klingt nach einer etwas anderen Geschichte.

Und das ist es auch – eine besondere Geschichte. Eine junge Frau streift nachts durch die Straßen und klingelt dort, wo noch Licht im Fenster zu sehen ist. Sie sei Forscherin und interessiere sich dafür, warum Menschen nachts nicht schlafen. Bei 25 Personen wird sie eingelassen – und in 25 Kapiteln von meist nur wenigen Seiten bekommt man Einblick in die verschiedensten Schicksale, in unterschiedliche Wohnungen und Lebensweisen.

Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die man so kennenlernt – es sind Männer wie Frauen, Alte und Junge, manche scheuen die Dunkelheit, manchen bietet sie Schutz – doch irgendwie sind sie alle einsam und jeder hat eine eigene Geschichte, die er gerne und bereitwillig erzählt.

Ich fand es toll, in so viele verschiedene Leben Einblick zu erhalten, und auch wenn die Kapitel nur kurz waren und die Zeit, die die Ich-Erzählerin bei diesen Nachtmenschen verbringt oft nur wenige Momente und selten einige Stunden waren, habe ich doch so vieles über sie erfahren. Bereitwillig haben sie erzählt, warum sie nachts wach sind, von ihren Ängsten und Träumen, von der Vergangenheit und auch der Zukunft. Es hat mich beeindruckt, wie die Autorin jede einzelne Figur auf nur wenigen Seiten in einer solchen Intensität dargestellt hat, dass man meint, sie genau zu kennen, ein Bild von ihr vor Augen zu haben und man denkt, sich in der Wohnung genau zurechtzufinden. Jeden umgibt eine ganz eigene Aura, eine besondere Atmosphäre – und die habe ich beim Lesen gespürt und genossen. Und auch wenn die Stimmung oft traurig und melancholisch war, habe ich mich dennoch beim Lesen sehr wohl gefühlt. Nur eine Figur ist mir bis zum Schluss fremd geblieben – die der Protagonistin und namenlosen Ich-Erzählerin, mit der man als Leser durch die Nacht zieht. Von ihr erfährt man am wenigsten, nur ab und an blitzen mal ihre Gedanken durch und selbst am Ende, als sie selbst aufgefordert wird, die Frage nach der Nacht zu beantworten, kommt man ihrer Wahrheit nicht auf die Spur. Und obwohl sie mir so fremd geblieben ist, habe ich sie irgendwie ins Herz geschlossen und die nächtlichen Streifzüge mit ihr genossen.

Die Sprache im Buch ist klar und präzise, zumindest in den einleitenden Worten, mit denen jedes Kapitel beginnt. Es wird immer kurz das Haus beschrieben, in dem ein Fenster noch beleuchtet ist, und auch der Mensch, der dann nach dem Klingeln die Türe öffnet. Die Gespräche selber sind dann nicht mehr so nüchtern in ihrer Erzählweise, ganz im Gegenteil, sie sind umgangssprachlich und damit glaubhaft und authentisch. Das macht das Lesen des Buches sehr angenehm – und trotzdem habe ich mir Zeit genommen und immer nur wenige Kapitel am Stück gelesen, um mich einfach mehr mit den verschiedene Personen gedanklich beschäftigen zu können. Mich haben die Menschen wirklich fasziniert, nicht weil ihre Schicksale so außergewöhnlich sind, sondern gerade wegen ihrer Alltäglichkeit, weil es mir nochmal bewusst gemacht hat, dass hinter jedem Fenster ein Mensch mit einer eigenen Geschichte lebt, mit Träumen und Ängsten und einer ganz eigenen Vorstellung vom Leben.

Ich zumindest denke jetzt ganz anders, wenn ich nachts durch die Straße ziehe und mir beleuchtete Fenster auffallen.

 

Mein Fazit

Ein ungewöhnliches Buch, das eher einer Geschichtensammlung als denn einem Roman gleicht, das mich aber gefesselt und begeistert hat. So viel ich über die verschiedenen Menschen erfahre, die nachts noch wach sind und von der namenlosen Protagonistin genau dazu befragt werden, so fremd bleibt mir die Ich-Erzählerin, die ich dennoch gerne begleitet habe. Die wunderbare Sprache – von klar und präzise bis umgangssprachlich und leicht – hat das Buch zu einer angenehmen Lektüre gemacht. Ich habe es dennoch langsam gelesen, um jedem Kapitel und damit jedem Schicksal, von dem es erzählt, auch genug Raum für Gedanken und Gefühle zu geben. Mir hat „nachts“ sehr gut gefallen, und ich kann es auf jeden Fall empfehlen.

 

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